Du willst softe Sex-Ästhetik? Nichts für mich, ich will’s schmutzig!

Autorin Rita Lora mag es gerne derbe, laut und versaut. Ein zartbesaiteter Feingeist ist die junge Dame wahrlich nicht, doch muss sie das auch nicht sein.

Schließlich können auch schmutzige Dinge viel Spaß machen – Sex zum Beispiel. Genau das versuchte Rita neulich auch ihrem Flirt Dennis klarzumachen. Denn Dennis ist durch und durch Ästhet. Auch beim Sex. Schwitzende, wabbelnde Körperteile in Ekstase? Nichts für Dennis, der das unappetitlich findet. Vielleicht sollte er einfach mal Ritas Plädoyer für echten, geilen, dreckigen Sex lesen.

Von Rita Lora

Vor wenigen Tagen war ich zu Gast bei Dennis, einem gut gebauten Banker, den ich in einem Dating-Portal kennenlernte. Wir fanden uns schnell ziemlich geil und verabredeten uns schon bald zum Stelldichein in seiner schicken Eigentumswohnung. Als Dennis mich an der Tür empfing, staunte ich nicht schlecht: Der junge Mann trug einen gut sitzenden, dunkelgrauen Anzug, der ihn verdammt seriös wirken ließ. Etwas verwundert sah Dennis an mir herunter – ich trug ein viel zu großes T-Shirt, das ich gern als Kleid zweckentfremde, dazu schwarze-Overknee-Strümpfe, derbe Boots und eine alte Lederjacke. Meine Haare waren ungewaschen (schließlich würde ich mich nach vollzogenem Koitus mit meinem Secret Date ohnehin duschen) und nur lose zu einem Knoten zusammengesteckt. Ich konnte Dennis‘ Blick nicht ganz deuten – gefiel ihm mein wildes Outfit oder hatte er eine adrette Business-Trulla erwartet? Wir begrüßten uns herzlich, dann bat Dennis mich, in seinem Wohnzimmer Platz zu nehmen, er sei gleich wieder da.

Ich machte es mir auf seiner Ledercouch gemütlich und griff nach einem teuer aussehenden Bildband, der auf dem blitzeblank geputzten Glastisch vor mir lag. Darin wunderschöne, ästhetische Schwarz-Weiß-Aufnahmen, auf denen sich superduper ausgeleuchtete Modelkörper in seidenen Laken räkelten, bedeckt von teuren Spitzendessous oder einem Hauch von gar nichts. Mein Blick blieb an festen Brüsten hängen, an flachen Bäuchen und kleinen, prallen Apfelpopos, auf denen vereinzelte Wassertropfen glitzerten. An Detailaufnahmen sinnlich-voller Lippen, die lüstern Erdbeeren oder am Daumen des Liebsten lutschten. Auch Paare gab es in dem Bildband zu sehen, Modelpaare natürlich, die liebevoll-geil ineinander verschlungen in Designer-Sitzmöbeln versanken oder sich – wie gehabt – in weißen Laken wanden.

„Was für eine schreckliche Vorstellung von Erotik“, dachte ich mir, da hopste auch schon Dennis zu mir auf die Couch, nahm mir das Buch aus der Hand und begann, mich sanft zu küssen. Er hatte Hemd und Blazer ausgezogen und saß nun mit nacktem Oberkörper vor mir. Blank rasiert, klar. Und glänzend. Hatte er sich gerade noch die Brust eingecremt, während ich in dem langweilig schönen Bildband geblättert hatte?

Dann machten wir rum, erst zaghaft, dann heftiger. Zwischendurch drosselte Dennis immer wieder das Tempo, um zärtlich meinen Hals zu küssen oder mit seinem Finger über mein Schlüsselbein zu fahren. Hä? Was tat dieser Mensch denn da? Ich wollte ficken, und das sagte ich Dennis auch. Seine Reaktion? Er ließ von mir ab und sagte mit einem Stirnrunzeln, ich sei aber ganz schön derbe. Meine Reaktion? „Halt die Schnauze, und leck meine Muschi!“ Was er dann auch tat, und das durchaus gut. Doch dann beging ich einen schwerwiegenden Fehler – ich zog das kleine Schleckermäulchen zu mir herauf, um ihn zu küssen – denn ich liebe es, meinen eigenen Muschisaft von den Lippen eines anderen zu kosten. Verwirrt sah Dennis mich an und sagte dann: „Findest du das nicht ein bisschen eklig, wenn ich dich jetzt küsse? Immerhin habe ich dich gerade da unten liebkost…“

Eklig? „Da unten“? „Liebkost? Wie bitte???

Ungläubig schubste ich Dennis von mir. Was sollte denn an meinem Muschisaft eklig sein? Und was ist „liebkosen“ für ein Wort? Lecken heißt das! Dann fauchte ich Dennis an: „Weißt du was, Dennis? Sex funktioniert nicht so wie in diesem cleanen Erotik-Bildband auf deinem Wohnzimmertisch. Ein echter Fick ist kein Hollywoodfilm. Der ist dreckig! Aber mit dreckig hast du es ja offenbar nicht so. Und mit ficken vermutlich auch nicht.“ Dann schnappte ich meine Sachen, schlüpfte in Boots und Kleid und ließ den verdutzten Ästheten nackt liegen.

Erotik ist Sex, Sex ist Erotik. In meinen Augen. Manche können das trennen, ich nicht. Warum auch? Beide Dinge, die ja im Grunde genommen eins sind, wenn es nach meiner Definition geht, gehören zu den hinreißendsten Geschenken, die das Universum uns Menschen machen konnte. Und Sex ist nun mal nicht gut beleuchtet oder ästhetisch. Sex ist eine schmutzige Angelegenheit mit Pickeln am Arsch, schlaffen Titten und Schwänzen, die mal zu groß und mal zu klein für so eine Muschi sind. Sex riecht nach Aquarium und nach Schweiß, nach altem Sperma und Spucke. Nur selten trägt man im Falle akuter Geilheit seine Sonntags-Dessous, und perfekt rasiert ist man meist auch nur dann, wenn der Koitus gut geplant ist. Aber gerade darum ist Sex das Schönste auf der Welt. Weil nur wenig so echt ist.

Vielleicht sollte Dennis sich mal einen anderen erotischen Bildband zulegen. Einen, der echte Körper, echte Gesichter, echte Küsse, echtes Festhalten zeigt, Bilder, auf denen zu sehen ist, wie Maurice aus Dortmund seine Leonie gegen die Raufasertapete in ihrer WG-Küche drückt. Nicht Model a mit Model b im barocken Ambiente eines 16-Sterne-Hotels in St. Tropez.

Lieber Dennis, falls du das liest, empfehle ich dir, nach echten geilen Frauen zu suchen, die dir zeigen, wie ein guter Fick in der realen Welt funktioniert. Mit mir hast du es leider versaut.

Wie steht ihr zu diesem Thema? Muss Sex tatsächlich immer schmutzig sein? Oder mögt ihr es lieber romantisch, ästhetisch und perfekt inszeniert?

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