Bitte nur streicheln.

Mein Arsch gehört mir, findet Frau Null und erzählt von einem Flirt, der ihr nach einem vielversprechenden Auftakt definitiv zu gewalttätig wurde.

Manchmal muss es gar nicht so kompliziert sein. Anstatt sich umständlich auf Online-Portalen nach der großen Liebe umzusehen oder sich im Club die Füße in zu hohen High Heels zu ruinieren, reicht es gelegentlich auch aus, einkaufen zu gehen, um einen Mann kennenzulernen. Noch dazu ist das sehr praktisch, denn einkaufen müssen wir alle bekanntlich sowieso.

In meiner unmittelbaren Nähe gibt es, wie es der Zufall so will, gleich drei Supermärkte, von denen einer ein klassisches Pärchenparadies ist. Diese Sorte Supermarkt eben, in dem hübsch dekorierte Obstkörbchen, frische Säfte und eine feine Käseauswahl zu den glücklich Verliebten herüber rufen: „Hee, verliebtes Pärchen! Mit uns könnt ihr sonntags frühstücken wie in der Joghurtwerbung!“ Ich frequentiere diesen Laden hauptsächlich wegen der guten Weinauswahl.

Und genau vor einem dieser Weinregale traf ich Gabriel. Er lud sein Körbchen voll mit Rioja, ich stand unentschlossen mit Blauem Zweigelt und Grünem Veltliner da.

„Heute Hüttenzauber bei dir?“, fragte er mich mit kessem Seitenblick.

„Und du hast Los Wochos, oder wie?“, antwortete ich frech.

Es gibt Momente, in denen man sich schon beim Sprechen über die eigene Schlagfertigkeit freut. Auch Gabriel musste grinsen. „Touché. Trinkst du die alleine?“, fragte er mich durch die Blume. „Natürlich nicht“, erwiderte ich mit einer glatten Lüge und ging erstmal weiter.

Vor der Schokolade trafen wir uns wieder.

„Madame hat aber einen exquisiten Geschmack“, kommentierte er meine Auswahl. „Ich weiß eben, was gut ist!“, sagte ich lachend und wollte mich schon in Richtung Käsetheke wenden, als er nochmal nachhakte: „Das glaube ich dir sofort. Vielleicht hast du ja mal Lust auf eine Weinprobe, ich könnte da etwas Nachhilfe brauchen.“

„Hm, warum nicht?“, stimmte ich leicht überrumpelt zu.

Er schrieb sich meine Nummer auf seinen Einkaufszettel, und ich sah zu, dass ich aus dem Supermarkt kam. Schon früher fand ich solche Begegnungen ziemlich unheimlich. An der Kasse war ich mir sicher, ich würde nicht mal ans Telefon gehen, sollte dieser Gabriel wirklich anrufen.

Was er dann auch nicht tat.

Stattdessen kam genau eine Woche später eine SMS. „Liebe Nachbarin, ich sitze hier mit zwei Flaschen Pinot Noir, und meine Gäste haben spontan abgesagt. Lust auf Weinprobe heute Abend? Bei mir?“

Ich erwog kurz meine Möglichkeiten.

Bei Gabriel den Ersatzgast mimen? Eigentlich nicht gerade die höflichste Art, zu einem Date eingeladen zu werden. Andererseits – es war Dienstag Nachmittag, und ich hatte abends eh nichts vor. Außerdem wohnte er wirklich nur zwei Straßen weiter, das Risiko wäre also mehr als gering und der Weg war kurz.

Um halb neun abends stand ich schließlich vor seiner Tür. Und zwar in angemessenen Klamotten – in Jeans und Pullover. Er sollte ja nicht glauben, dass ich mich für ihn aufgehübscht hätte. Na gut, ich hatte schicke Schuhe an, aber die zieht man ja in der Regel gleich an der Tür aus.

Gabriel öffnete mir ebenfalls im legeren Look die Tür. Eigentlich sah er so aus, als hätte er gerade eben noch im Garten geschuftet. Nur ohne Garten. Gabriel war groß und ein bisschen zu dünn für meinen Geschmack. Sein T-Shirt schlabberte lose von den knochigen Schultern, und er hatte eine eigentümlich spitze Nase. Die war überhaupt nicht mein Ding, fällte ich noch an der Türschwelle mein unmittelbares Urteil.

Meine Ambitionen sanken, und ich entspannte mich damit, dass das hier ganz nett werden würde, mehr auch nicht. In spätestens zwei Stunden liefe ich in meine Wohnung zurück und würde das Ganze als netten Abend verbuchen. Fertig.

In Gabriels geräumigem Wohnzimmer gab es genau zwei Einrichtungsgegenstände. Ein riesiges, ausladendes Sofa und einen ebenso riesigen Fernseher. Ansonsten nichts, nicht mal ein Bild oder ähnliches hing an den Wänden.

„Setz dich, ich hole eben alles aus der Küche“, wies mich mein Gastgeber an und kehrte direkt darauf mit einem Tablett mit Gläsern, Flaschen und Käsehäppchen zurück. Gabriel kaufte wohl öfter im Pärchenparadies ein, er wusste, worauf es ankommt.

Als wir bei der zweiten Flasche Wein angelangt waren, passierte das Malheur: Ein Glas, abgestellt auf der meterlangen Lehne der Sofalandschaft, kippte um, als Gabriel mir gerade Fotos auf seinem gigantomanischen Fernseher zeigen wollte. Er sprang hektisch auf, wischte mit einem Tuch herum, rubbelte und fluchte, und ich musste lachen und lachen und bekam mich kaum mehr ein.

„Du findest das also lustig, was?“, fragte er mit geröteten Wangen und etwas schwerer Zunge.

„Schon ein bisschen“, gab ich grinsend zu.

„Freche kleine Mädchen wie du gehören eigentlich bestraft!“, konstatierte mein Gastgeber in plötzlich ungewohnt strengem Ton.

„Hahaha, ach was!“, nahm ich ihn zunächst nicht wirklich ernst.

„Ganz schön mutig, Madame!“ Gabriels Stimme wurde unnatürlich leise. Er kam auf mich zu.

Was sollte das jetzt werden?

Er packte meine Handgelenke und hielt sie fest wie in einem Schraubstock. Ich war überrascht, wie viel Kraft in diesem knochigen Kerl steckte. Wie so oft in potenziell gefährlichen Situationen hatte ich überhaupt keine Angst. Vielleicht lag es am Pinot Noir – aber ich beobachtete das Geschehen mit einem gewissen Interesse.

„Dafür gehört dir ordentlich der Hintern versohlt.“

Ich musste immer noch ein bisschen lachen. Gabriel sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. Offenbar nahm ich ihn nicht ausreichend ernst. „Du denkst, ich mache Witze? Los, Hose runter.“

„Kommt überhaupt nicht in Frage!“, war ich ehrlich empört.

„Da stehst du doch drauf, das hab ich dir sofort angesehen“, flüsterte er.

„Nee, sorry, Gabriel, da steh ich echt nicht drauf.“

„Ich will dir aber deinen süßen Hintern versohlen!“, klang er fast schon ein bisschen flehend.

„Tut mir leid, das ist nichts für mich.“

Er lockerte den Griff und ließ meine Hände wieder los.

„Schade. Wir könnten so viel Spaß haben“, seufzte Gabriel mit trauriger Stimme.

Ja klar, das ist vielleicht deine Sorte Spaß. Aber mein Arsch gehört mir, junger Mann.

„Weißte was, ich glaube, ich gehe jetzt besser.“ Ich blickte zu Gabriel und stand auf, schlüpfte in meine Schuhe und war schnell aus der Tür.

Auf dem Heimweg dachte ich kopfschüttelnd über das Geschehene nach. Wie kommt ein Typ auf so eine Idee? Ich bewege mich nicht unbedingt in Sadomaso-Kreisen, aber klärt man so etwas nicht vorher ab, bevor man dominante Anweisungen macht? Und überhaupt, wie absurd ist das alles?

Die nächsten Wochen wich ich auf den billigeren Wein im Discounter gegenüber aus, bevor ich mich wieder ins Pärchenparadies wagte. Nicht auszudenken, wenn Gabriel plötzlich mit einer Fliegenklatsche und weiteren albernen Sexideen vor mir gestanden hätte. Wie es manchmal so ist, traf ich ihn – obwohl uns Luftlinie nur 300 Meter trennten – nie wieder. Der Verlust war sehr leicht zu verschmerzen. Spinner gibt es ja genug auf der Welt, und leider finden sie mich immer wieder.

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