Wenn du mich nicht mehr ficken willst, suche ich mir einen Lover!

Wenn der Partner keine Lust auf Sex hat – darf man seine sexuellen Bedürfnisse dann mit anderen Menschen erfüllen? Das fragt sich heute Autorin Melanie Bergmann, inspiriert von der Geschichte ihrer Freundin Mareike. Die saß lange Zeit sprichwörtlich auf dem Trockenen, weil ihr Partner Sex nach diversen Jahren Beziehung nichts mehr abgewinnen konnte. Also suchte sich Mareike Sex-Ersatz. Ist das moralisch vertretbar? Melanie Bergmann verrät uns ihre Meinung zu diesem heiklen Thema.

Von Melanie Bergmann

„Früher konnten wir die Finger nicht voneinander lassen, wir haben es Tag und Nacht miteinander getrieben, von vorne, von hinten, in seinem Auto und in der Toilette unserer Lieblingsbar.“ Mareike rührt nachdenklich in ihrem Latte herum, während sie mir von den Anfangstagen ihrer Beziehung mit Andi erzählt. Damals, vor fünf Jahren, war noch alles in Ordnung. Die Hormone sprudelten nur so über, beide waren neugierig und geil auf den Körper des anderen.

„Mit der Zeit änderte sich das natürlich“, erzählt Mareike. „Irgendwann kehrte auch bei uns der Alltag ein, und spätestens, nachdem wir vor drei Jahren zusammen gezogen waren, wurde es in unserem Bett zunehmend ruhiger.“ Anfangs störte sich Mareike nicht besonders an dieser Entwicklung, fand sie sie doch ganz normal. „Und wir hatten ja auch noch Sex, und sogar sehr aufregenden!“ Sie lächelt in Erinnerung an die gute, alte Zeit. „Andi ist sehr aufmerksam und wusste darum immer genau, wie er mich berühren musste, damit ich auf meine Kosten kam.“

Vor einem Jahr aber blockte Andi immer mehr ab, wenn Mareike ihn küssen oder ihm einen → Blowjob geben wollte, etwas, von dem Andi früher nicht genug bekommen konnte. Sie wurde immer frustrierter, bis sie ihren geliebten Partner eines Tages fragte, warum er keine Lust mehr auf sie habe. Es läge nicht an ihr, so Andi. Aber er verspüre im Moment keine Lust auf Sex. Das müsse sie bitte akzeptieren.

Vier Monate lang machte Mareike das Spielchen mit, machte es sich selbst, wenn Andi nicht zu Hause war, denn irgendwo musste sie mit ihrer eigenen Geilheit ja hin. Dann meldete sie sich bei einem Datingportal an, das dafür wirbt, erotische und diskrete Abenteuer zu vermitteln. „Zuerst fühlte ich mich schlecht, aber dann dachte ich mir, dass Andi meine Gefühle ja total egal waren. Und daran, wie selbstsüchtig ich das fand. Also meldete ich mich an und traf schon kurze Zeit später auf Benno, meinen ersten Mann neben Andi.“

Mareike traf sich mit Benno, sie gefielen einander und landeten kurze Zeit später in seinem Bett. Dort bekam Mareike all das, wonach sie sich so lange gesehnt hatte – Leidenschaft, Küsse, Berührungen und schließlich einen Fick, der Mareike, so sagt sie, „erschütterte“, so hemmungslos und versaut konnte sie bei Benno sein.

Benno blieb nicht der Einzige. Es folgten Marcus, Tim und Jürgen. Mit allen ging sie ins Bett. Was folgte, war das schlechte Gewissen, wenn sie von ihren geheimen Stelldicheins nach Hause schlich, stets darauf bedacht, dass Andi ihr nichts anmerken würde. Was er auch nicht tat – bis heute.

Sex will Andi immer noch nicht, er hat sich eingerichtet in der platonischen Beziehung zu seiner Partnerin. „Warum verlässt du ihn nicht?“, will ich von Mareike wissen. Die antwortet: „Weil ich ihn liebe. Und das Leben, das wir uns gemeinsam aufgebaut haben.“ Also bleibt es dabei – harmonisches Bruder-und-Schwester-Zusammenleben mit Andi, wilder Sex mit Benno und Konsorten.

Als Mareike mir von all dem erzählte, fragte ich mich, ob ich das Verhalten meiner Freundin gutheißen kann. Und ich muss euch sagen – ja, das kann ich. Wie egoistisch ist denn bitte das Verhalten von Andi, der mal eben beschließt, den Sex in seiner Beziehung abzuschaffen, ohne auf die Bedürfnisse seiner Freundin acht zu geben? Warum hat er nicht rechtzeitig das Gespräch mit ihr gesucht? Ihr von seinen Sorgen und Wünschen erzählt und sich ihre Meinung zu diesem Thema angehört? Ich verstehe Mareike gut. Auch ich würde mir einen Liebhaber suchen, wenn mein Mann mich nicht mehr begehren würde. Warum denn auch nicht? Gut, vielleicht sollte Mareike in Erwägung ziehen, sich von Andi zu trennen, denn eine glückliche Beziehung führen die beiden nicht. Aber ich bin mir sicher, dass Mareike beizeiten das Richtige tun wird.

Eine Liebe ohne Sex, vor allem aber ohne Rücksicht auf den Partner? Für mich undenkbar.

Was denkt ihr? Ist Mareikes Verhalten in Ordnung oder moralisch völlig daneben?

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